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Was ist ein gut erzogener Hund?

Aktualisiert: 30. Jan. 2022

Und was hat das andere Ende der Leine damit zu tun?


Tja, da gehen die Meinungen seeehr weit auseinander. Für die einen bedeutet gute Erziehung das: "Sitz, Platz, Hiiier!" muss einwandfrei funktionieren. Nicht zu vergessen, "Fuß"! Oder "Fuuuß" oder "Fusss!!!" Und bitteschön, die Schulter muss exakt auf Höhe des menschlichen Knies sein und der Kopf des Hundes gequält nach oben gerichtet in Richtung seines Menschen. Oder so ähnlich.


Für jeden von uns hat "gut erzogen" eine andere Bedeutung. Meine drei Hunde benehmen sich für meine Begriffe ganz gut. Mit ein paar Ausnahmen, an denen ich arbeite.


Der unerzogene Hund

Viele Menschen würden vielleicht sagen - oder ich verdächtige sie, dass sie es am liebsten frei herausposaunen würden - mein Trio sei überhaupt nicht erzogen. Sie dürfen aufs Sofa und ins Bett, wenn sie Lust dazu haben. Sie bellen, wenn es an der Tür klingelt. Sie gehen nicht bei Fuß. Ich schicke sie selten auf ihren Platz.


Klein Lolli hüpft fremden Menschen einfach auf den Schoß. Django erklimmt heimlich Tische und Schränke, was er allerdings nicht darf. "Fuß laufen" kennt nur Lola, aber ich verlange es fast nie. Django kann kein "Platz", weil ich es ihm noch nicht beigebracht habe. Ich lege einfach keinen Wert darauf. Teddy pöbelt andere Hunde an der Leine an, was mir auf den Keks geht - und daran arbeite ich.


Kleiner Hund liegt in einem Bücherregal

Aber: das für mich Wichtigste funktioniert super. Sie vertragen sich untereinander prima. Sie kommen gut mit anderen Hunden klar. Sie akzeptieren fremde Hunde sogar im eigenen Garten und benehmen sich ordentlich. Sie halten die Klappe, wenn ich im Büro bin und arbeite. Sie lassen fremde Menschen ins Haus und auch wieder raus. Sie können ein paar Stunden allein bleiben und bellen weder die Nachbarschaft zusammen noch machen sie irgend etwas kaputt. Sie verwandeln meinen Garten nicht in eine Kraterlandschaft. Unsere Kollegin Jana fasst es treffend zusammen:

Erziehung ist so viel mehr, als gehorchen!

Meine Hunde lassen sich sogar von fremden Kindern gerne und freiwillig streicheln. Sie reagieren null auf Fahrradfahrer, Jogger, Stöcklesläufer, Skateboarder oder Menschen mit merkwürdigen Gefährten wie Rollstuhl oder Rollator. Sie sind ruhig im Auto. Sie schmeißen mich nicht früh morgens aus dem Bett, weil sie raus wollen. Sie sind unheimlich genügsam und ich bilde mir ein, sie lieben mich...



Der wohlerzogene Hund und sein Besitzer

Betrachten wir doch bitte mal das andere Ende der Leine. Wie gut erzogen sind denn eigentlich die Hundebesitzer? Sicher ernenne ich meine Truppe nicht zu Vorzeigehunden in Sachen Erziehung, doch ich erlaube mir, mir selbst als Hundehalterin zumindest im Fach "Betragen" die Note 2+ zu bescheinigen. Für die Jüngeren unter euch: Ja, echt: früher gab es in der Grundschule eine Note für "Betragen" ;-)


Ich sage mal so: ein Hund, der seine artgenössischen Kollegen anpöbelt und dessen Ende der Leine dieselbige auch als Sicherung zum Einsatz bringt, ist mir wesentlich lieber als ein Hund, der prima bei Fuß laufen kann, aber dessen Besitzer den BravbeiFußlaufHund auf einen Stein kacken lässt und den Haufen nicht entfernt.


Der ach so gut erzogene Hund wird natürlich NICHT angeleint, wenn Menschen entgegen kommen. Er ist ja schließlich gut erzogen und Frau Herrchen (oder Herr Frauchen) geht - mit leicht angehauchtem arroganten und süffisantem Blick - weiter. Hey hallo! Es gibt Menschen, die Angst vor Hunden haben! Und es gibt Menschen, die einfach keine Hunde mögen. Egal wie lieb der sein mag oder ob er Tut-Nix mit Nachnamen heißt, das ist rücksichtslos.


Der Vorzeigehund muss selbstverständlich nicht angeleint werden, wenn ein fremder, angeleinter Hund entgegenkommt. Der Wauz ohne Leine geht meist ebenso arrogant vorbei wie Herrchen. Beneidenswert aus meiner Sicht, allerdings ist das den Hunden an der Leine gegenüber nicht fair.


Wohlerzogene Hunde oder die, die von ihren Menschen so gesehen werden, dürfen sich allem Anschein nach neuerdings sogar auf Spielplätzen aufhalten. Ich habe sie im Blick, denn der Kreischplatz für die Miniaturmenschen ist ziemlich direkt nebenan. Besonders die kleinen Wuschelteile sehe ich dort oft.


Solch ein Wuschelpuschel hat sich letztens auf meine unerzogene Kleinteil-Bande gestürzt, als ich am Spielplatz vorbeigelaufen bin. Meine waren natürlich angeleint. Der mutmaßliche Labradoodle-Jüngling hat die halbherzige Arretierung mittels Flexileine an einer Bank locker ausgehebelt, ist frontal laut bellend auf uns zu gerannt und hat dicke Backen gemacht. Gut, ok, womöglich geht der prima "bei Fuß". Dann darf er das natürlich!???


Hundeerziehung ganz subjektiv

Alles ist gut, wenn es dem Hund-Mensch-Team dient. Du sollst dich mit deinem Hund wohlfühlen, nicht die anderen. Ok, kleine Einschränkung: Dein Knuffelwuff sollte zumindest Menschen oder Tiere nicht gefährden und auch sonst keine Gefahr darstellen. Ich denke mal, da sind wir uns einig.


Der Rest in Sachen Hundeerziehung ist ein bisschen Geschmacksache. Wobei wir da bei den Rassen bzw. der Größe des Hundes ein wenig unterscheiden sollten. Je größer der Hund, desto besser sollte er "erzogen" sein. Das ist keine Diskriminierung, sondern einfach der Tatsache geschuldet, dass du bei einem großen Hund einfach viel mehr Kraft aufwenden musst, um ihn - im wahrsten Sinne des Wortes - im Griff zu haben.


Wenn dein kleiner Nachwuchsterrorist - oder in meinem Fall das Luder - an der Leine pöbelt, dann kannst du ihn (oder sie oder es) mit wenig Kraftaufwand zurückziehen oder festhalten. Hundemenschen mit einem American Bulldog oder Schweizer Sennenhund an der Leine, tun sich da wesentlich schwerer. Also müssen die Menschen, die große und schwere Hunde halten, sich bezüglich Hundeerziehung einfach mehr ins Zeug legen.


Das bedeutet aber nicht, dass man die kleinen Hunde gar nicht erziehen müsste. Kleine Hunde sind auch Hunde, nur eben klein, weswegen sie oft nicht ernst genommen werden. Und das ist gar nicht gut! Warum auch Hundezwerge in die Hundeschule gehen sollten, kannst du gerne in diesem Beitrag nachlesen.


Grundvoraussetzung für einen "gut erzogenen" Hund ist eine solide Sozialisierung. Und die hat nun mal nicht jeder Hund erfahren dürfen. Ein Hund von einem guten Züchter hat idealerweise in seiner Prägephase vieles kennenlernen dürfen und positiv verknüpft. Der Staubsauger, im Auto mitfahren, spielende Kinder, Tierarztbesuch und solche Situationen gehören dazu. Ebenso, dass der Welpe ein Halsband an hat, ein Geschirr trägt und dann auch noch ab und an eine Leine dran ist. Das ist wahrlich nicht selbstverständlich.


Wenn der Hund verschiedene Alltagssituationen kennt und sich in seinem Zuhause eingelebt hat, kannst du mit den Grundkommandos beginnen. "Sitz" ist die einfachste Disziplin dabei. Aber wehe dem, der meint, das sei jedem Hund so einfach beizubringen. Nö. Und ich erzähle dir gerne, warum das nicht immer einfach ist.


Erziehung ist nicht gleich Erziehung

Mein Panikhund Lucky war zwar sehr verfressen, aber vor allem ängstlich und misstrauisch. Wie schwierig und aufwändig es ist, einen Angsthund zu sozialisieren, kannst du in diesem Artikel nachlesen. Dieses "Ich halte-ein-Leckerli-über-die Nase-und der-Hund setzt -sich" hat bei ihm nicht funktioniert. Misstrauisch = Ich geh mal lieber weg. Sch... auf das Leckerchen. So, und nu?


Jo, trotzdem konnte ich ihm das Kommando "Sitz" beibringen. Das dauerte nur etwa ein Jahr. Ein Jahr? Ja, genau! Immer, wenn sich Lucky einfach "mal so" hingesetzt hatte, habe ich ihn dafür belohnt. Später dann das Wort "Sitz" nebst Sichtzeichen gesagt. Irgendwann hatte er kapiert, dass es dann etwas Leckeres gibt. Sehr viel mehr Kommandos, außer das "Hier" und "Nein", habe ich ihm nicht beigebracht. Ganz einfach weil der Fokus ganz woanders lag. Er sollte seine Panik, die Angst vor Menschen ablegen oder wenigstens verringern. Und das ist mir gelungen.


Also, wer nun meint, er könne sich erlauben zu beurteilen, ob ein Hund gut erzogen ist oder nicht, der sollte doch bitte aufm Schirm haben, dass er von der Geschichte des Mensch-Hund-Teams womöglich gar nichts weiß. Vielleicht ist der unerzogene Hund ja erst seit zwei Wochen da. Womöglich hat es der ach so schlechte Hundeerziehungsberechtigte immerhin geschafft, dass sein Hund nicht mehr 10 Minuten am Stück bellt, wenn es an der Tür klingelt, sondern nur noch 48 Sekunden. Na, klingelt's lieber Hundeerziehungskritiker?


Ich jedenfalls kenne wesentlich mehr schlecht erzogene Hundehalter als unerzogene Hunde.


Was verstehst du unter einem "gut erzogenen" Hund? Ich bin gespannt...

 

Hier gibt es noch mehr Input:

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Hey, ich bin Marion, Coach für angehende Hundetrainer. Meine Vision ist, dass du deinen Hund besser verstehen lernst. Für ein harmonisches und glückliches Zusammenleben mit deinem Hund.

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